Ihren Einsatz für die Schulsozialarbeit zeigen die Vertreter_innen der freien Träger im KJHA mit einem Antrag:

 

Vertreter/Innen des Münchner Trichters: Manfred Bosl, Christel Bulcraig, Uli Glaess, Franz Lindinger, Dr. Helmut von Ahnen, Ernst Wolfswinkler
VertreterInnen des KJR: Tom Rausch, Stefanie Lux, Hans Radspieler, Mathias Biber, Laura Pulz
Vertreter/Innen der Verbände der freien Wohlfahrt: Norbert Huber, Marion Ivakko,

An Frau Bürgermeisterin
Christine Strobl
Rathaus

10.08.2013

Antrag an den KJHA
Keine Priorisierung der Einzelfallhilfe in der Schulsozialarbeit

Der KJHA möge beschließen:

  • In der Schulsozialarbeit an Münchner Schulen wird weiterhin die bewährte Mischung von allgemein präventiver Arbeit mit allen Schülern/innen und punktueller, zeitlich befristeter Einzelfallarbeit geleistet. Von einer Priorisierung der Einzelfallhilfe und ei-ner Zuarbeit für die Bezirkssozialarbeitwird abgesehen.
  • Sollte die Priorisierung der Einzelfallhilfe durch die Inanspruchnahme einer komple-mentären Finanzierung der Schulsozialarbeit aus Landesmitteln bedingt sein,so ist diese Finanzierung grundsätzlich zu überprüfen. Der Grundsatz soll dabei sein, dass Schulsozialarbeit weiterhin primär als präventive Leistung und nicht als intervenie-rende Leistung der Kinder- und Jugendhilfe einzusetzen ist.
  • Es wird davon Abstand genommen, die Fachkräfte in der Schulsozialarbeitzur Hospi-tation bei der Bezirkssozialarbeit zu verpflichten.Wenn eine solche Verknüpfung mit einer komplementären Finanzierung aus Landesmitteln begründet wird, ist die-komplementäre Finanzierungnicht in Anspruch zu nehmen.
  • Die gegenseitige Hospitation der in der Kinder- und Jugendhilfe zusammenarbeiten-den Kolleginnen und Kollegen aus den verschiedenen Einrichtungen und Diensten ist grundsätzlich wünschenswert, aber nicht als institutionalisierte Fortbildungsmaßnah-me einzusetzen.
  • Die Stadtverwaltung (Sozialreferat-Stadtjugendamt, Referat Bildung und Sport) wird aufgefordert, mit dem Freistaat Verhandlungen dahingehend aufzunehmen, dass Landesmittel für die Jugendsozialarbeit an Schulen bereitgestellt werden, ohne dass damit das bislang erfolgreiche Münchner Konzept der Schulsozialarbeit ausgehebelt wird und die Einzelfallarbeit nach Grund-sätzen der Bezirkssozialarbeit priorisiert werden muss.
  • Das Konzept der Schulsozialarbeit in München, wird an allen Münchner Schulen, in denen sie bereits angeboten und in den Schulen, in denen Schulsozialarbeit neu ein-gerichtet wird, im Sinne einer engen Kooperation und Vernetzung mit der offenen Kinder- und Jugendarbeit, der Kinder- und Jugendkulturarbeit, der AEH und der Ju-gendberufshilfe weiter entwickelt. Eine Priorisierung der Zuarbeit für die Bezirkssozi-alarbeit ist nicht vorzusehen; die Zusammenarbeit mit der BSA erfolgt in gleicher Weise wie mit anderen Kooperationspartnern; d.h. die Einzelfälle werden bei ent-sprechender Sachlage an die BSA gemeldet und abgegeben.

Begründung:

Die Schulsozialarbeit ist seit den 90-er Jahren ein integraler Bestandteil der Münchner Kinder- und Jugendhilfe. Durch die Bezuschussung des Bayer. Sozialministeriums mit dem sog. JAS-Programm („Jugendsozialarbeit an Schulen“) ist in den letzten Jahren eine immer stärkere Regulierung und inhaltliche Einschränkung in Richtung Einzelfallhilfen eingetreten. Das Ministerium versucht durch die Förderrichtlinie alle generalpräventiven Arbeitsansätze zu verhindern, wie sie beispielsweise in der Gruppen- oder Projektarbeit mit einer ganzen Klasse möglich wären. Gleichzeitig wird dort immer wieder erklärt, dass man fachliche Vorbehalte gegenüber Trägern der Jugendsozialarbeit an Schulen hat, die aus dem Bereich der Jugendarbeit kommen.  
Der Bundesgesetzgeber hat im KJHG die Jugendsozialarbeit zusammen mit der Jugend-arbeit und dem erzieherischen Kinder- und Jugendschutz in einem gemeinsamen Ab-schnitt (Erster Abschnitt des Gesetztes, Paragraphen 11 bis 15) zusammengefasst.
Schon allein aus dieser Gliederungslogik des Gesetzes ist eine klare Aufgabenstellung für die Jugendsozialarbeit im Bereich der Prävention gegeben. Es ist bei dieser gesetzlichen Grundlage geradezu absurd, die Nähe der Jugendsozialarbeit zur Jugendarbeit als hinder-lich anzusehen, wie es das bayerische Sozialministerium derzeit immer wieder tut.

Es liegt im Wesen der Schulsozialarbeit,allenKindern auf dem Weg durch die Schulkarriere als Begleiterin, Förderin und in schwierigen Situationen und als Unterstützerin zur Sei-te zu stehen. Die enge Kooperation mit den Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit ist aus unserer Sicht im Sinne einer präventiven wie ganzheitlichen Aufgabenwahrnehmung anzustreben und zu priorisieren. Angebote für alle Schülerinnen und Schüler innerhalb der Schule und mit besonderen Rahmenbedingungen auch außerhalb der Schule sind vorrangige Leistungen. Dabei stehen gruppenbezogene Aktivitäten mindestens gleich hoch in der Aufgabenstellung wie Leistungen für einzelne Kinder mit sozialen Auffälligkeiten.

Auch und gerade bei „auffälligen“ Kindern (mit denen die Schulsozialarbeit ohne Zweifel zu arbeiten hat) kann die Einbettung in die Gruppe der Gleichaltrigen und die Übernahme von Verantwortung in einem solchen Kontext dazu führen, dass bereits dadurch ohne weitergehende Einzelfallarbeit eine positive Entwicklung mit Verhaltensänderung eintritt. Es kann sogar davon ausgegangen werden, dass es zahlreiche Fälle gibt, in denen eine derartige Intervention wirksamer ist, als der 4-Augen Kontakt in der Einzelfallarbeit mit einem Erwachsenen. Grund ist die hohe Akzeptanz der Prozesse in einer Gruppe von Gleichaltrigen, die es dem/der Einzelnen nicht so leicht machen, sich innerlich zu distan-zieren, wie das gegenüber Erwachsenen möglich ist.

Alle Schüler/innen sollen von der Schulsozialarbeit weiterhindarin unterstützt werden,den Anforderungen und Verpflichtungen, die Schule an sie stellt, nachkommen zu können. Dabei stehen jedoch die Interessen und Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen im primären Fokus. Schulsozialarbeit ist als Leistung der Kinder- und Jugendhilfe für die ge-samte Persönlichkeitsentwicklung der Kinder und Jugendlichen im Sinne des KJHG tätig. Die individuellen Ressourcen der Kinder und Jugendlichen stehen im Mittelpunkt; Schwächere sind besonders zu fördern.Die LHST München orientiert sich entsprechend ihren bildungspolitischen Leitlinien an einen ganzheitlichen Bildungsbegriff, versteht Bil-dung als ganzheitlichen Prozess, der sich am Menschen, an seinen Bedürfnissen und sei-nen Kompetenzen orientiert (Perspektive München, Leitlinie Bildung, Bildung in München – gerecht, zukunftsorientiert, großstadtorientiert und weltoffen. S. 17). Als Aufgabe des KJHG dient Schulsozialarbeit primär dieser Leitlinie.

Das Konzept der Münchner Schulsozialarbeit muss in dieser Priorisierung des Arbeitsan-satzes erhalten bleiben. Ein Veränderung der Schwerpunktsetzung durch Land bzw. der Regierung von Oberbayern mit dem Argument, dass diese Stellen Schulsozialarbeit mitfi-nanzieren, darf nicht ein funktionierendes System der Kinder- und Jugendhilfe, wie es die Schulsozialarbeit ist, beeinträchtigen. Die nur in einem geringen Umfang erfolgende fi-nanzielle Beteiligung des Freistaats ist somit nicht in Anspruch zu nehmen, sollte die Ein-schränkung des Konzeptes als Bedingung für die Ko-Finanzierung damit einhergehen.