Geschichtlich gesehen ist Frankreich ein zentralistisches Land, in dem politische Entscheidungen in und von Paris getroffen werden. 1981 und 1982 wurde mittels einer Reihe von Gesetzen unter der neuen sozialistischen Regierungsgewalt eine Dezentralisierung initiiert. Verschiedene territoriale Ebenen erhielten eine Reihe von Befugnissen; die Regionalverwaltungen (22), die Generaldirektionen (100) und die Gemeinden (mehr als 36.000). Zum Beispiel sind im Bereich der formellen Bildung die Regionen für die Gymnasien, die Landkreise für die Realschulen und die Städte für die Grundschulen verantwortlich. Gleichzeitig behält der Staat die Hoheit über die Unterrichtsinhalte. Allerdings – und das zeigt das Misstrauen des Staates vis-a-vis der Dezentralisierung – hat der Staat in jeder Region und für jede Richtlinie Verwaltungsorgane installiert, die die richtige Umsetzung der Dezentralisierung durch die regionalen Verwaltungen überwachen. Der Staat hat sogar die Macht, die Entscheidungen der regionalen Verwaltungen zu zensieren oder unter seine Entscheidungshoheit zu stellen.

Tatsächlich herrscht bei der öffentlichen Staatsverwaltung das vom Zentrum ausgehende «top down»-Prinzip, das sich durch jede Ebene der lokalen Politik durchzieht. Dieser Trend wird in der Schaffung neuer Verwaltungsstrukturen sichtbar, beispielsweise in den Metropolregionen, die verschiedene Städte einschließen, ohne Berührungspunkte mit den existieren Verwaltungen zu haben.
In diesem Zusammenhang hat die Zivilgesellschaft, vertreten vor allem durch hunderttausende Organisationen, praktisch keine rechtliche Vertretung in politischen und öffentlichen Entscheidungen. Manchmal wird sie in Entscheidungsprozesse eingebunden, aber fast immer nur in einer beratenden Funktion. Um beim Beispiel der Bildung zubleiben ist festzustellen, dass es zahlreiche Verbände von Lehrer_innen gibt, von Eltern, von Schulleiter_innen und sogar von Schüler_innen, die nur dann befragt und gehört werden, wenn sie auf die Straße gehen.

Allerdings fällen nur die politischen Organe Entscheidungen und sind dafür verantwortlich. In Frankreich stützt man sich auf das Prinzip der Delegation im Rahmen demokratischer Wahlen. Die Bürger wählen regelmäßig und durch diese Abstimmung übertragen sie ihre Entscheidungsbefugnisse auf ihre gewählte Vertreteung. Mit Ausnahme des öffentlichen Dienstes (wenn eine Verwaltung ihre wahrzunehmenden Aufgaben auf eine andere öffentliche oder private Organisation überträgt) wird das Prinzip der Subsidiarität durch Gesetze stark eingeschränkt und erreicht niemals die Zivilgesellschaft.

Im Falle der Kultur ist die Situation in Frankreich sogar noch schlimmer. Mit Ausnahme von wenigen kulturellen Einrichtungen – wie bestimmten Bibliotheken, die in der Verantwortung von Gemeinden liegen – wurde keine Entscheidungshoheit im kulturellen Bereich auf die Regionalverwaltungen oder Landkreise übertragen. Letztere unterstützen trotzdem Kunst und Kultur  in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet, aber freiwillig und ohne jede Verpflichtung. Heute werden 50% der Kosten für Kultur von lokalen Behörden bestritten (die Ausgaben der deutschen Bundesregierung liegen bei nur 7%). Diese freiwilligen Leistungen können jeden Moment gestoppt werden. Dies bedeutet, dass diese Förderungen vollkommen im Ermessen lokaler Politiker_innen liegen. Sie können die eine Organisation unterstützen, die andere nicht, Unterstützung von einem Tag auf den anderen stoppen, egal mit welcher guten oder schlechten  Begründung, ohne dass irgendjemand widersprechen kann. Deshalb hat sich der Staat die Kulturhoheit erhalten, aber seit über 20 Jahren mit immer weniger Mitteln. Die regionalen und lokalen Behörden haben allmählich den Staat ersetzt, um das künstlerische und kulturelle Leben zu erhalten, aber mit den oben beschriebenen Gefahren. Politiker_innen haben die absolute Macht über „Leben und Tod“ kultureller Organisationen, nicht immer mit der Kompetenz, deren Kreativität zu beurteilen und die Auswirkungen ihrer Entscheidungen absehen  zu können. Dies erklärt auch die Probleme bei der Unterstützung experimenteller und innovativer künstlerischer Praktiken. Tatsächlich sehen sich die Kommunalpolitiker_innen im direkten und täglichen Kontakt mit ihren Wähler_innen manchmal Schwierigkeiten ausgesetzt, ihre unpopulären Entscheidungen der lokalen Öffentlich zu vermitteln.

Die Kulturvereine in Frankreich repräsentieren 20% der 1,1 Millionen NGOs aber sie haben keinerlei reelle Macht. Sie sind nur Werkzeuge die es erlauben, die von Entscheidungsträgern bestimmte Kulturpolitik am Leben zu erhalten. Das einzige Mal, dass sie sich Gehör verschaffen konnten war 2003.  Die Regierung wollte den sozialversicherungsrechtlichen Status der „intermittents du spectacle“ (ähnlich dem dt. Gesetz zur Künstlersozialversicherung, Anm. d. R.) umfassend überprüfen. Daraufhin haben sich die Künstler_innen zu einem Generalstreik entschlossen, der dafür sorgte, dass einige namhafte Festivals – wie das Theaterfesitval von Avignon oder das Literaturfestival von Aix-en-Provence – ausfielen. Die Regierenden realisierten plötzlich die ökonomische Bedeutung dieser Veranstaltungen und die Kraft dieser sozialen Bewegung. Die Regierung zog daraufhin das Projekt zurück. Aber dieses Beispiel ist einmalig und hat in keiner Weise dazu beigetragen, den rechtlichen Rahmen der Entscheidungsfindung zu verändern.

In Frankreich ist das Prinzip der Subsidiarität – bezogen auf die Welt der Kultur – vor der Tür der Regierenden stehen geblieben.

Frédéric JAMBU, Marseille

Frédéric Jambu arbeitete mehrere Jahre im französischen Außenministerium sowie im Ministerium für Kultur und Kommunikation, wo er mit den europäischen und euro- mediteranen Beziehungen betraut war (darunter 5 Jahre in Brüssel).
Er ist Gründungsmitglied von ADCEI (Organisation für kulturelle Entwicklung in Europa und International) und deren Leiter. 2004 gründete er das Netzwerk Euromedinculture(s) (29 Mitgliedsorganisationen aus 21 Ländern) und ist seitdem dessen Geschäfstführer. Er ist Organisator von Veranstaltungen und Fachberater für mehrere Universitäten sowie Fachberater für internationale Projektarbeit.

Übersetzung : Ulrich Gläss, München

« Subsidiarité, l’affaire des politiques »

Historiquement, la France est un pays très centralisé où les décisions politiques sont prises dans et depuis la capitale, Paris. En 1981 et 1982, une série de lois, sous l’impulsion du nouveau pouvoir socialiste, a institué la décentralisation. Ainsi, un certain nombre de pouvoirs ont été attribués aux différents échelons des territoires, les Conseils régionaux (22), les Conseils généraux (100) et les Municipalités (plus de 36 000). Par exemple, en France, dans le domaine de l’éducation formelle, les Régions ont la responsabilité des lycées, les Départements celle des collèges et les Villes, des écoles élémentaires. L’Etat conserve le pouvoir sur les contenus des enseignements. Toutefois, et cela démontre la méfiance de l’Etat vis-à-vis de la décentralisation, il a mis en place, dans chaque région et pour chaque politique confiée, des directions lui permettant de suivre la bonne exécution par les collectivités territoriales des pouvoirs décentralisés. L’Etat a même le pouvoir de censurer des décisions prises par les collectivités ou d’en mettre sous sa tutelle.
En fait, le principe d’intervention publique en France est celui du bottom down et continue de partir du centre, puis se répartit à chaque niveau des politiques locales. La tendance actuelle est même de créer de nouvelles collectivités publiques, les métropoles, regroupant de multiples villes mais sans toucher aux pouvoirs publics existants.
Dans ce contexte, la société civile, majoritairement représentée par des centaines de milliers d’associations, n’a quasiment aucune représentation légale au niveau politique et des décisions publiques. Parfois, elle participe aux prises de décisions mais, presque toujours, dans un rôle consultatif. Ainsi, pour poursuivre l’exemple de l’éducation, il existe de très nombreuses associations de représentation des professeurs, des parents d’élèves, des directeurs d’établissements, et même des étudiants, qui sont régulièrement consultées, écoutées, voir qui manifestent dans la rue. Toutefois, seuls les pouvoirs publics prennent les décisions et en sont responsables. En France, cela repose sur le principe de la délégation de l’action publique par le scrutin démocratique. Les citoyens votent régulièrement et, par cette voix, ils délèguent à leurs représentants élus le pouvoir de la décision. A l’exception de la délégation de service public (quand une administration délègue à une organisation publique ou privée des activités qu’elle devrait mener elle-même), extrêmement encadrée par la loi, le principe de subsidiarité ne descend jamais au niveau de la société civile.

Dans le cas de la culture, la situation en France est encore pire. A l’exception de quelques équipements culturels, comme certaines bibliothèques, sur lesquels les compétences ont été décentralisées au niveau des municipalités, presque aucun autre pouvoir dans le domaine n’a été attribué aux conseils régionaux ou départementaux. Ces derniers soutiennent malgré tout les arts et la culture sur leurs territoires respectifs mais de leur propre volonté sans n’en avoir d’obligations. Aujourd’hui, plus de 50 % des dépenses en faveur de la culture proviennent des collectivités territoriales (la part de dépenses culturelles de l’Etat central allemand ne représente que 7%). On parle alors de compétences facultatives qui peuvent être arrêtées à n’importe quel moment. Cela signifie que ces soutiens sont à la totale discrétion des élus locaux. Ils peuvent aider telle association et pas telle autre, stopper, du jour au lendemain et pour n’importe quelle bonne ou mauvaise raison, leur appui sans que personne n’est à y redire. Légalement, donc, l’Etat a conservé le pouvoir en matière de politiques culturelles mais, depuis maintenant plus de 20 ans, avec de moins en moins de moyens budgétaires. Les collectivités territoriales se sont donc progressivement substituées pour faire vivre le tissu artistique et culturel français mais avec les aléas déjà décrits. Les femmes et les hommes politiques ont le pouvoir de « vie et de mort » absolu sur les organisations culturelles sans, toujours, avoir les compétences pour évaluer leur créativité et l’impact de leurs interventions. Cela pose aussi le problème de leur soutien à des pratiques artistiques expérimentales ou innovantes. En effet, les élus locaux, en prise directe et quotidienne avec leurs électeurs, rencontrent parfois des difficultés à défendre ses pratiques souvent assez peu populaires auprès de leur public de proximité.
Les associations culturelles en France représentent presque 20% des 1,1 millions d’ONG inscrites légalement sur le territoire national mais elles n’ont aucun pouvoir réel. Elles sont uniquement des outils permettant de faire vivre les politiques culturelles déterminées par les décideurs publics. La seule fois, récente, où elles se sont fait entendre était en 2003. Le gouvernement d’alors avait voulu revoir en profondeur le statut spécifique des intermittents du spectacle . Les artistes ont alors décidé d’une grande grève qui a abouti à l’annulation de certains grands festivals comme celui d’Avignon ou d’art lyrique d’Aix-en-Provence. Les pouvoirs publics ont alors réalisé, à la fois, du poids économique de tels événements et de la puissance de ce mouvement social. Le gouvernement a alors reculé sur son projet. Mais cet exemple est unique et n’a absolument pas modifié le cadre légal dans les prises de décisions. En France, le principe de subsidiarité, appliqué au monde de la culture, s’arrête aux portes des pouvoirs publics.

Frédéric JAMBU, Marseille
Directeur d’ADCEI
Délégué général du réseau EUROMEDINCULTURE(s)

Frédéric JAMBU : après plusieurs années passées au Ministère des Affaires étrangères, puis au Ministère de la Culture et de la Communication, en charge des relations européennes et euro méditerranéennes (au cours desquelles il a passé 5 années en poste à Bruxelles), il co-créé l’Association pour le Développement Culturel Européen et International (ADCEI) qu’il dirige pour en faire un outil de soutien, pour tous les acteurs culturels de la région PACA et, durant 3 ans, Languedoc-Roussillon, dans l’accès aux dispositifs européens et internationaux de soutien aux projets. En 2004, il lance le réseau de coopération artistique et culturel, multidisciplinaire, euro méditerranéen, EUROMEDINCULTURE(s), permettant les rencontres entre acteurs culturels de l’Europe et de la Méditerranée. A ce jour, le réseau s’étend sur 21 pays différents et comprend 29 organisations membres. Durant plusieurs années, il a été maître de conférence au sein de plusieurs universités avec lesquelles il continue à collaborer. Durant sa carrière, il a aussi été collaborateur d’un cabinet de consulting spécialisé dans les projets internationaux et directeur du développement international d’un autre cabinet spécialisé dans le conseil et la formation des PME.»