Der Begriff Subsidiarität kommt im Bereich der Umweltbildung, bzw. Bildung für nachhaltige Entwicklung nicht so häufig vor wie im sozialen Bereich. Gleichwohl ist er über die Termini Beteiligung und Unterstützung von nichtstaatlichen Akteuren konstituierendes Element einer Bildung für nachhaltige Entwicklung, nicht nur in nationalen sondern auch im weltweiten Kontext. Bildung für nachhaltige Entwicklung ist der seit der Agenda 21 geprägte Terminus, der Umweltbildung um ökologische, soziale und kulturelle Dimensionen erweitert. Bildung für nachhaltige Entwicklung folgt dem Leitbild der nachhaltigen Entwicklung und vermittelt Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen nachhaltiges Denken und Handeln. Angesichts der immer komplexer werden Herausforderungen auf unserer Erde wie Klimawandel, Energiewende, Verlust der Biodiversität erarbeiten sich Bürgerinnen und Bürger in Bildungszusammenhängen Wissen und Kompetenzen, die sie in die Lage versetzen, diesen Herausforderungen zu begegnen und Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln. Angestrebt wird ein Leben nach dem Motto: Nicht hier auf Kosten von anderswo und heute nicht auf Kosten von morgen.
Subsidiarität in einem Bildungsprogramm, das weltweit angelegt ist, bedarf vieler Zwischenschritte, bis es auf der lokalen Ebene ankommt. Im Schlussdokument der Konferenz der Vereinten Nationen zu Umwelt und Entwicklung 1992, der Agenda 21, werden Partizipation und Mitbestimmung der Akteure vor Ort sowie internationale, nationale bis lokale Unterstützung der Akteure in der Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung gefordert (Agenda 21, Kapitel 25, 28, 36). So betonen auch europäische Abkommen den subsidiären Charakter des Programms. Das Besondere der Agenda 21 ist die Betonung der Partizipation aller Bürgerinnen und Bürger und von lokalen Bündnissen unterschiedlichster Akteure, um nachhaltige Entwicklung prozessorientiert schrittweise umzusetzen. In Bezug auf Kinder und Jugendliche heißt es sogar: „…Im Einklang mit der von ihnen verfolgten Politik sollen die Regierungen der einzelnen Länder Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die Interessen der Kinder im Rahmen des partizipativen Prozesses für eine nachhaltige Entwicklung und Verbesserung der Umweltbedingungen voll und ganz berücksichtigt werden.“ (Agenda 21, Kapitel 25, 25.13 b). Die geforderte Verbindung von Partizipation und Subsidiarität muss vor Ort in einem politischen Prozess der unterschiedlichen Akteure ausgehandelt werden.
Um weltweit das notwendige Denken und Handeln für nachhaltige Entwicklung zu stärken, zu verbreiten und dauerhaft in Bildungsprozessen zu verankern, wurde von den Vereinten Nationen die UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ 2005-14 ins Leben gerufen; (www.bne-portal.de). Unterstützt wird sie in Deutschland durch einen Beschluss des Deutschen Bundestags vom 14. April 2012, in dem es heißt: „Bildung für nachhaltige Entwicklung ist zunehmend als wichtiger Beitrag zur Steigerung der Bildungsqualität und zur Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung anerkannt. Davon zeugen (…) bildungspolitische Erklärungen zu Bildung für nachhaltige Entwicklung etwa von Seiten der Kultusministerkonferenz (KMK) und der Hochschulrektorenkonferenz sowie Hunderte von Einrichtungen, die sich an der deutschen Umsetzung der Dekade beteiligen. (…) Politik und Zivilgesellschaft kooperieren eng bei der Umsetzung der Dekade.“ (Deutscher Bundestag, Drucksache 17/9186, 17. Wahlperiode 27. 03. 2012.)
Hier setzt das politische Verständnis von Subsidiarität an. Der Staat soll auf die Unterstützung von Initiativen, Vereinen, Verbänden bauen, ihre Kompetenzen einbeziehen, um gesamtgesellschaftliche Ziele – hier Bildung für nachhaltige Entwicklung – umzusetzen. Das Bayerische Landesamt für Umwelt (LFU) bestätigt das in Hinblick auf die Umsetzung der Bildung für nachhaltige Entwicklung: „Hier bieten sich auch für Gemeinden viele Anknüpfungsmöglichkeiten. Im Sinne der Subsidiarität und zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements empfiehlt sich eine durch die Gemeinde begleitete Vernetzung der verschiedenen Akteure – von Kirchengemeinden über (Umwelt-)Vereine bis hin zu Bildungseinrichtungen.“ (http://www.lfu.bayern.de/umweltkommunal/umweltberatung/index.htm, 23.06.2013).
In der Praxis gestaltet sich das oft schwierig. Bildung für nachhaltige Entwicklung als Teil der informellen Bildung ist auf öffentliche Förderung angewiesen und es bedarf besonderer Lobbyarbeit, um einen tragfähigen Rahmen und angemessene Förderungen zur Umsetzung dieses Ziels zu erhalten. Oft stehen auch die staatlichen Vorstellungen zur Umsetzung nachhaltiger Entwicklung denen der Umweltverbände und der Umweltbildungseinrichtungen entgegen, wie man auf Landesebene am Beispiel der Bayerischen Nachhaltigkeitsstrategie (StMUG, April 2013) sehen kann, bei der sich der bayerische Staat in seinem Vorgehen dem Prinzip der Subsidiarität verschlossen hat.
Ein positives Beispiel auf lokaler Ebene ist die Stadt München, die in verschiedenen Bereichen in guter Zusammenarbeit mit den Akteuren vor Ort Ziele der Agenda 21 umsetzt. München ist Mitglied im internationalen “Klima-Bündnis europäischer Städte e.V.” und hat im „Bündnis für Klimaschutz Club“ in Zusammenarbeit mit Wirtschaft und zivilrechtlichen Akteuren ein eigenes Programm dazu aufgelegt. Die Stadt München unterstützt und fördert den Verein BenE München e.V., ein regionales Zentrum der Bildung für nachhaltige Entwicklung, in dem sich Münchner Akteure und Nachhaltigkeitsnetzwerke zusammengeschlossen haben und das auf lokaler und internationaler Ebene Bildung für nachhaltige Entwicklung in vielen Facetten umsetzt.
Das Subsidiaritätsprinzip ist ein Balanceakt und hängt sehr vom gegenseitigen Politik- und Bildungsverständnis sowie Vertrauen ab. Es kann aber nur funktionieren, wenn Gestaltungsspielräume von den Akteuren eingefordert und von den rahmengebenden Institutionen gewährt und finanziert werden. Und da ist im Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung noch viel Entfaltungspotenzial.

Marion Loewenfeld
Leiterin von Ökoprojekt – MobilSpiel e.V., einem freien Träger der Kinder- und Jugendarbeit mit Schwerpunkt Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung und erste Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Natur- und Umweltbildung, Landesverband Bayern (ANU Bayern e.V.), des Dach- und Fachverbands der Umweltbildung in Bayern