Die Bundesrepublik Deutschland ist ein föderalistischer Staat. Er ist nach dem Bundesstaatsprinzip aufgebaut und besteht daher aus Gliedstaaten, die eigene Kompetenzen haben. Zusätzlich besteht ein verfassungsrechtlich geschütztes Selbstverwaltungsrecht der Kommunen. Subsidiarität ist daher immer in diesem Zusammenhang zu sehen.
Zum Begriff der Subsidiarität gibt es einige eher abstrakte Definitionen. Der ursprünglich aus der katholischen Soziallehre stammende Begriff beschreibt u. a. das Verhältnis von Staat und Gesellschaft. Er meint, dass die größere Einheit nur eingreifen soll, wenn die kleinere nicht aus eigenen Kräften zur Erfüllung ihrer Aufgaben in der Lage ist. Das heißt aber auch, dass der Staat die notwendige Unterstützung leisten muss, um dem Einzelnen die Möglichkeit zu geben, seine Kräfte zu entfalten und seine Ziele zu erreichen. Mit anderen Worten: Es besteht eine Pflicht des Staates, die Voraussetzungen zu schaffen, die notwendig sind, damit die kleinere Einheit in der Lage ist, ihre Aufgaben selbstverantwortlich wahrzunehmen.
Konkret bedeutet dies z. B. für die Jugendhilfe (in Anlehnung an eine grundlegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1967), dass durch den koordinierten Einsatz öffentlicher und privater Anstrengungen der größtmögliche Erfolg erzielt werden soll. Es gibt demgemäß einen begrenzten Vorrang der freien Träger vor eigenen Maßnahmen der öffentlichen Jugendhilfe (§ 4 Absatz 2 SGB VIII). Dennoch hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung für die Erfüllung der Aufgaben (§§ 79,80 SGB VIII). Dabei besteht ein eindeutiger Funktionsschutz der freien Jugendhilfe, soweit es sich um nach fachlichen Standards geeignete Einrichtungen handelt. Auch ist bei der Planung auf eine dem § 3 Absatz 1 SGB VIII entsprechende Pluralität des Angebots zu achten. Dass all dies nur in partnerschaftlicher Zusammenarbeit vernünftig geschehen kann, liegt auf der Hand. § 4 Absatz 1 SGB VIII verpflichtet dabei den öffentlichen Träger zur Achtung der Selbständigkeit der freien Jugendhilfe und § 4 Absatz 3 in Verbindung mit § 74 SGB VIII zur Förderung inklusive der finanziellen Förderung. Nicht zu vergessen ist in diesem Zusammenhang die nach § 78 SGB VIII verpflichtende Abstimmung von geplanten Maßnahmen und die zunehmend wichtiger werdende Betroffenenorientierung und -beteiligung (§§ 74 Absatz 4 und 80 Absatz 4 SGB VIII).
Stand 24.1.2013
Prof. Frank Groner, Jurist, lehrte von 1978 bis 2009 an der Katholischen Stiftungsfachhochschule in München. Er engagiert sich nach wie vor in und für verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen und beteiligt sich an sozialpolitischen Diskussionen.