In einer Band spielen, DJ-ing, Skaten, Sprayen, Filmen, Musik am PC produzieren, Grafiken und Layouts entwickeln: All diese Aktivitäten gehören zum breiten Spektrum aktueller Jugendkulturen. Die jungen Akteur_innen bewegen sich damit bewusst abseits jeder schulischen Bildungseinrichtung und auch abseits der meisten außerschulischen kulturpädagogischen Angebote. Institutionelle Bildungsträger tun sich schwer mit ihnen, mit ihren Codes, den Spielregeln und Umgangsformen ihrer Szenen und allgemein mit den Produktionsweisen aktueller Jugendkultur. Das ist verständlich, denn Jugendkulturen entstehen in bewusster Abgrenzung zu institutionalisierter Pädagogik und Kultur. Junge Musiker_innen und Künstler_innen ignorieren oft schlichtweg die Qualitätsstandards etablierter Kultur, sie suchen ihre Vorbilder in z.T. in (aus der Sicht der Elterngeneration) obskuren subkulturellen Nischen, sie verachten den „Mainstream“, aber gelegentlich kokettieren sie auch mit ihm.

Sie eignen sich die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten („Skills“) meist durch „learning-by-doing“ an oder im „peer-to-peer-learning“, indem Könner und „Cracks“ aus der Szene ihr Wissen weitergeben. Das geschieht weitgehend informell, man organisiert sich selbst so gut es geht und lehnt Angebote der außerschulischen Bildung oftmals als „uncool“ ab. Die jungen Akteure_innen in diesen jugendkulturellen, pop-affinen Umfeldern entwickeln damit eine DIY (Do-It-Yourself)-Kultur, die mit den aufgeblähten Erlebniswelten medial vermarkteter Casting- und Talentsuche-Shows so gar nichts zu tun hat. Diese DIY-Popkultur ist in ihrer ganzen Breite eine Herzensangelegenheit der meist  jungen Akteur_innen und ihres Publikums. Nur ein verschwindend kleiner Bruchteil dieser Akteur_innen schafft es (oder will es überhaupt), aus ihrem Hobby eine tragfähige und dauerhafte Lebensperspektive zu entwickeln oder gar zum „Star“ zu werden. Und doch zielt dieses Hobby – anders als etwa die traditionelle Hausmusik – von vornherein darauf  ab, Publikum zu erreichen und zu begeistern. Interaktion mit dem Publikum und der Aufbau einer Fanbasis ist ein Hauch von „Starruhm“,  Selbstbestätigung und Euphorie im Rampenlicht der Szeneclubs.

Diese kulturelle Betätigung braucht Raum, wenn sie sich produktiv entwickeln soll, sie braucht sensible, nicht-normative Unterstützung. Eine Förderung muss nah genug an den Akteur_innen und ihren Bedürfnissen sein, um in deren Augen glaubwürdig zu bleiben und von ihnen akzeptiert zu werden. Andererseits muss sie genug Distanz wahren, um die künstlerischen Ergebnisse nicht manipulativ oder vereinnahmend zu missbrauchen.

Eine Fördereinrichtung wie die Münchner Fachstelle Pop versteht sich als Beratungs- und Serviceeinheit für die junge Pop(musik)szene. Finanziert von der städtischen Kulturverwaltung hat sie die die Aufgabe, junge Popkultur zu fördern ohne an konkreter operative Ziele gebunden zu sein. Dahinter steht die Erkenntnis, dass Pop- und Jugendkultur von schnellen Veränderungen und vom kreativen Wandel lebt und eine erfolgreiche Förderung dieser Kultur deshalb prozessorientiert und ergebnisoffen sein muss. Diesen Spielraum nutzt die Fachstelle für eine flexible, bedarfs- und nutzer_innenorientierte Unterstützungs- und Vernetzungsarbeit. Sie steht im permanenten Dialog mit den jungen Kreativen, sie stellt Raum zum Proben, Entwickeln, Ausprobieren und Präsentieren bereit, sie unterstützt Vernetzungsstrukturen unter den Akteur_innen und sie bietet niederschwellige und erschwingliche Beratungs- und Serviceleistungen. Die Einbettung in den Kontext einer großen Jugendkultureinrichtung mit ausgeprägtem Veranstaltungsbetrieb (Feierwerk) gibt ihr in den jugendkulturellen Szenen die notwendige Glaubwürdigkeit. Befürchtungen der Musiker_innen und Künstler_innen, von einer Kulturbürokratie (einer Art „Amt für Popkultur“) vereinnahmt zu werden, sind damit entkräftet. Stattdessen arbeitet die Fachstelle gemeinsam mit Musiker_innen und Künstler_innen daran, der jungen Popkultur die ihr zustehende gesellschaftliche Anerkennung zu verschaffen und sie damit auch stärker als bisher in den Focus der Kulturförderung zu rücken.

Klaus Martens

Klaus Martens ist langjähriger pädagogischer Mitarbeiter im Feierwerk – Verein für Kinder- und Jugendkulturarbeit – in München. Seit 2009 dort in der Fachstelle Pop und in der Leitung der Veranstaltungsorganisation für Jugendliche und junge Erwachsene.