Der Begriff der Subsidiarität hat eine lange Tradition.  Bereits im 17. Jahrhundert wird die Gesellschaft als „als verschiedene, miteinander verbundene Gruppen, die jede ihre eigenen Aufgaben und Ziele zu erfüllen haben, die aber in gewissen Bereichen auf die Unterstützung („subsidium“) der übergeordneten Gruppe angewiesen sind.“ bezeichnet, „Die Unterstützung soll aber nur dort einsetzen, wo sich Unzulänglichkeiten offenbaren, keinesfalls aber die Aufgabe der anderen Gruppe völlig übernehmen.“
Also eigentlich kaum ein Unterschied zu unserer  heutigen Definition. Aber die Theorie ist das eine, die Realität das andere. Wir sind sehr stolz in München, dass wir ein vielfältiges Angebot  durch die Freien Träger und Wohlfahrtsverbände gerade im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe, im Bildungs- und Sozialbereich haben. Aber dennoch gibt es immer wieder Diskussionen darüber, was kann, darf oder muss die öffentliche Hand wirklich selbst leisten. So ganz ohne politischen Druck werden die Leistungen nicht abgegeben, obwohl man sich im Nachhinein dann doch häufig selbst lobt, wie gut das Prinzip der Subsidiarität funktioniert. Der Bereich der Kindertageseinrichtungen und Krippen ist ein beredtes Beispiel dafür.
Der Begriff der Subsidiarität wird gerne und jederzeit als Argument benutzt, um die eigenen Ansprüche zu rechtfertigen. Häufig wird, wenn das Geld knapp wird, das Prinzip der Subsidiarität versus öffentliche Förderung gestellt, um zu betonen, dass man auf gar keinen Fall das Prinzip der Subsidiarität unterlaufen will. Eigeninitiative und Unabhängigkeit gewinnen dann plötzlich an Bedeutung.
Natürlich wird so auch von Seiten der Geförderten argumentiert, soviel Freiheit wie irgend möglich aber natürlich mit einem gewissen Sicherheitsnetz im Rücken, falls das mit der Individualität doch nicht so ganz funktioniert.
In München denke ich haben wir gerade durch das große Feld der Wohlfahrtsverbände und der anerkannten Freien Träger der Jugendhilfe ein Beispiel dafür, wie Subsidiarität funktionieren kann.  Allerdings bewegen wir uns immer auf einer Gratwanderung, wie wir das häufig erleben. In den Jahren meiner Stadtratstätigkeit hat sich das Gleichgewicht zunehmend zugunsten der Subsidiarität verschoben, so wie es im Kinder- und Jugendhilfegesetz KJHG auch gefordert ist. Manche Punkte haben wir heftig diskutiert aber letztendlich waren die Freien Träger die Gewinner. Heute wird die Diskussion allerdings wieder schwieriger, was aber durchaus verständlich ist. Zusätzlich zu den freien Trägern drängen immer mehr kommerzielle Anbieter in diesen Bereich. Beispiel dafür haben wir im Bereich der Krippen- und Kindertagesstättenversorgung genug. Gleichzeitig werden die gesetzlichen Auflagen immer höher, die finanziellen Belastungen größer und die Rahmenbedingungen immer komplizierter.
Es wird also auch in den kommenden Jahren eine der wichtigsten Aufgaben des Münchner Stadtrats sein, diese Balance  zu gewährleisten und dafür zu sorgen dass sich das Gleichgewicht nicht wieder auf die Seite der öffentlichen Trägerschaft verschiebt.

Beatrix Burkhardt, e.a. Stadträtin
Kinder- und Jugendpolitische Sprecherin der CSU- Fraktion