Neuer Schwung für Bildung?
20. internationaler Kongress des Kulturnetzwerks „Banlieues d´Europe“ in Kooperation mit dem Münchner Trichter

Manchmal entdeckt man den Wert der eigenen Arbeit erst wieder, wenn man ihn in einem anderen Kontext sieht. Der Kongress „Neuer Schwung für Bildung?“, der vom 20. bis 22.11. in München stattfand, brachte nicht nur viele Informationen, sondern gab auch die Möglichkeit für den internationalen Austausch sowie für die Reflexion.
Ob ein Fotografie-Projekt in einem Flüchtlingslager, durch das junge Menschen eine Ausbildung erhalten oder ein Theaterprojekt in Jordanien, das Männer über selbst ausgeübte häusliche Gewalt beschämt und Frauen über ihre Rechte informiert. Kultur schafft Perspektiven, gibt Würde und hilft Vergangenes zu bewältigen. Die so verstandene Kulturarbeit ist partizipativ angelegt. Und Partizipation ist ein wesentlicher Bestandteil einer Demokratie. Wer seine eigene Erkenntnisfähigkeit entdeckt und darüber Bewusstsein, der bzw. die ist weniger anfällig für totalitäre Strukturen oder mafiöse Organisationen, wie z. B. Giuseppe Parente (Süditalien) anschaulich berichtete.

Die lokal und international geführte Debatte um „Kulturelle Bildung – Partizipation – informelle Bildung“ wurde in 4 Panels aus der Sicht von Projektpraktiker_innen, Wissenschaft und Politik angerissen und in 12 Workshops vertieft. Diese ermöglichten vor allem eins: gegenseitig zuhören, voneinander lernen und Kontakte für den weiteren Austausch knüpfen. Dass hier nicht nur Fachkräfte unter sich über Jugendliche sprechen, sondern Fachleute und Jugendliche gemeinsam über Bildung nachdachten, machte den Kongress noch interessanter. Wenn der ehemalige albanische Außenminister, UNO Botschafter und Autor Besnik Mustafa mit Rapern aus Brüssel und München über Sprache und Kultur diskutiert, wenn der afghanisch-französische Fotograf Reza Degathi seine vielen Arbeiten für National Geografic in Kontext zu seiner künstlerischen Arbeit mit Benachteiligten setzt und diesen Arbeitsansatz mit Jugendlichen des IMAL diskutiert, wenn George Sylvestre als französischer Politiker über Mobilität von Jugendlichen spricht, Jugendliche aus diversen Projekten Europas dazu ihre Erfahrungen preisgeben und der Wissenschaftler Jost Buschmeyer (GAB) den Wert kultureller Bildung belegt, dann ist das schon etwas sehr Außergewöhnliches in der Welt der Konferenzen und Fachtagungen im Bereich der Jugendarbeit.  Ungewöhnlich ist es auch, wenn Hip Hoper aus dem Biederstein (KJR) mit Ihren Präsentationen mit „Kollegen“  aus Brüssel und Frankreich Kontakt aufnehmen. An der Veranstaltung nahmen insgesamt 230 Personen. Sie kamen aus verschiedenen europäischen Ländern oder aus Mittelmeeranrainerstaaten. Organisiert wurde das alles vom Netzwerk Banlieues d’Europe und dem Münchner Trichter. Und: der Kongress wurde tatkräftig unterstützt von Jugendlichen des IMAL und des IAKB, beim Catering, bei der Technik, bei der Dokumentation, bei Empfang und Begleitung der Gäste, Schüler_innen des Fremdspracheninstituts leisteten hervorragende Dolmetscherdienste. Die Stadträt_innen Christian Müller und Haimo Liebich (SPD), Jutta Koller (B’90/GRÜNE/RL) Beatrix Burkhart (CSU) und Ursula Sabatil (FW), Dr. Michael Mattar (FDP) würdigten die Veranstaltung mit ihren Besuchen. Der Kulturreferent Dr. Hans-Georg Küppers betonte in seinem Grußwort die Bedeutung des internationalen Austauschs und nahm auch Bezug auf die Veranstaltung Banlieues d´Europe im Herbst 2007. Der Leiter der Ganztagsagentur Herr Dirk Adomat wünschte sich mehr Zeit für Alltagsbildung in der Ganztagsbildung und mehr Experimentierräume. Eine Schule mit Kulturprofil könne diese nicht ohne Träger der Kulturellen Bildung ausgestalten.
Wenn eines bleibt als Resumée dieser Veranstaltung, dann vor allem die Erkenntnis, dass Tagungen spannend, interessant, partizipativ, engagiert sein können; und wenn man schon über Jugendarbeit, Bildung, Partizipation, künstlerische Intervention spricht, dann besser mit Jugendlichen statt über sie – zum Vorteil aller am Prozess Beteiligten und in einem Format, dass Spaß macht und Lust auf Wiederholung. In diesem Sinne: wer nicht dabei war, hat wirklich etwas verpasst.

Martina Ortner und Uli Gläss