Gemeinsam mit den Wohlfahrtsverbänden der ARGE (freie), dem KJR München Stadt und REGSAM haben wir das Positionspapier “Willkommenskultur pflegen, Zuwanderung menschenwürdig gestalten” verfasst.  Darin beschreiben wir unsere Haltung, formulieren Forderungen an Politik und Verwaltung und bringen unseren Willen zur Mitgestaltung einer Willkommenskultur zum Ausdruck:

 

Willkommenskultur pflegen, Zuwanderung menschenwürdig gestalten

Plädoyer für eine Weltstadt mit Herz

Mit Zuwanderung verbinden Menschen oft existenzielle Hoffnungen mit diesem Land, mit dieser Stadt. Wir konzentrieren uns in diesem Plädoyer auf Menschen, die aus EU-Ländern zuwandern sowie auf Flüchtlinge, die aus unterschiedlichsten Gründen ihre Heimat verlassen mussten.  Zuwanderung gehört somit zum Alltag einer prosperierenden Stadt wie München.

Jeder Mensch, der nach München kommt, ist willkommen.

In einer Willkommenskultur werden Strategien entwickelt, die zugewanderten Menschen helfen, in unseren demokratisch- rechtsstaatlichen Strukturen ein dauerhaft selbstbestimmtes Leben zu führen. Auf diese Weise wird das friedliche Miteinander unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen gefördert.

Wir stehen dafür, über realistische und und realistische Perspektiven zu informieren. Wir lehnen in der politischen Diskussion aber Begriffe wie Verfestigungstendenzen oder Anreizeffekte wegen ihres abwertenden Untertons ab. Es geht nicht um die Unterscheidung von Menschen danach, ob sie gern oder weniger gern gesehen sind, sondern um die
Förderung des Zusammenlebens von Menschen. Im Vordergrund steht die Zuwendung zu den Menschen, die Hilfe brauchen, um sich in unserer Stadtgesellschaft zurechtzufinden.

Eine daraus abgeleitete Strategie bündelt die Steuerungs-und Handlungsmöglichkeiten von Politik und Verwaltung, Verbänden und freien Trägern auf der kommunalen Ebene. Diese muss durch unterschiedliche Maßnahmen auf den weiteren politischen Handlungsebenen (Bund und Land) ergänzt werden.

 

Zu drei Aspekten benennt dieses Plädoyer wichtige Maßnahmen der Willkommensstrategie:

Zuwanderung gestalten
Allen, die nach München zuwandern, müssen die allgemeinen sowie speziellen Beratungsleistungen der Stadt sowie der anderen Träger offen stehen. Geeignete Maßnahmen sollen ihnen den Zugang zu diesen Beratungsleistungen erleichtern.

Gesetzliche Leistungen müssen allen Zugewanderten im Rahmen ihrer rechtmäßigen Anspruchsvoraussetzungen erhalten.  Die zu erbringenden Leistungen sind an den individuellen Möglichkeiten und Bedürfnissen der aneu zuziehenden Menschen auszurichten. Sie verfolgen das Ziel, sie zu einer eigenverantwortlichen und von staatlichen Leistungen unabhängigen Lebensführung zu unterstützen.
Freiwillige Leistungen müssen darüber hinaus individuell gewährt werden, um Notlagen aabzuwenden; so etwa, wenn keine Rechtsansprüche auf gesetzliche Leistungen vorliegen oder diese noch geprüft werden.
Besondere Aufmerksamkeit muss Menschen mit besonderem Schutzbedürfnis oder Förderbedarf zukommen. Die Stadt verschafft ihnen eine ihren Bedürfnissen angemessene Unterkunft sowie umgehenden Zugang zur Gesund-heitsversorgung.
Menschenwürdige Notunterkünfte für den Kälteschutz müssen in ausreichender Anzahl zur Verfügung stehen und unabhängig von einer Nullgradgrenze geöffnet sein.
Die Landeshauptstadt hat alle ihr zur Verfügung stehendenMöglichkeiten zu nutzen, um die Zahl der Unterbringungen in Notunterkünften so gering wie möglich zu halten. Eine Zwischennutzung von leerstehenden Gewerberäumen zu Wohnzwecken ist zu ermöglichen und zu fördern.
Alle Beratungsstellen der Verbände und freien Träger arbeiten eng und kooperativ zusammen. Ihre Angebotsstruktur und ihre Kapazitäten müssen der Bedarfsentwicklung stetig angepasst werden.
Die Landeshauptstadt muss ihre Unterstützung für die Anhebung der Haushaltstitel für die Migrationsberatung konkretisieren. Die Kapazitäten müssen ausgebaut und die Konzepte entsprechend der Bedarfe unterschiedlicher Zielgruppen weiterentwickelt werden.
Um strukturellen Benachteiligungen und rassistischen Denk-und Handlungsweisen, denen viele Zugewanderte ausgesetzt sind, entgegenzuwirken, muss die Landeshauptstadt München dafür sorgen, dass in ihrem Zuständigkeitsbereich Diskriminierungen nicht geduldet werden.
Die Landeshauptstadt Münchentritt im Deutschen Städtetg dafür ein, dass auch in Deutschland (wie in anderen EU-Staaten) für einen dauerhaften Aufenthalt das Sprachniveau A 2 ausreichend ist.

 

Flüchtlinge aufnehmen
In Stadtteilen mit Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften braucht es Anlaufstellen und personelle Ressourcen für die Unterstützung von engagierten Ehrenamtlichen. Vorhandene Einrichtungen, wie auch die dort lebenden Bürgerinnen und Bürger, müssen informiert und eingebunden werden, um gemeinsam die Ziele der Willkommenskultur umzusetzen.

Die Sozialberatung der Flüchtlinge in allen Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften muss sichergestellt werden: Ein Betreuungsschlüssel von 1:100 ist erforderlich, um Posttraumatisierungen reduzieren zu können.
Um die gesundheitliche Versorgung der Flüchtlinge zu gewährleisten, muss medizinisches Fachpersonal in allen Erstaufnahmeeinrichtungen arbeiten; Verwaltungsverfahren sind so zu vereinfachen bzw. einzurichten, dass Krankenscheine und medizinische Versorgung vor Ort erhältlich sind.
Flüchtlinge brauchen einen schnelleren Zugang zu psychotherapeutischen Angeboten und eine deutliche Aufstockung muttersprachlicher Angebote.
Flüchtlinge müssen einen schnellen und unkomplizierten Zugang zu Deutschkursen bekommen.
Die Verfahren zur Anerkennung von Bildungsabschlüssen müssen beschleunigt werden.

Angesichts der Nachrangigkeit des Zugangs zum Arbeitsmarkt brauchen Flüchtlinge hierfür besondere Unterstützung.
Zuwandernde verfügen über vielfältige Ressourcen, die zum Gelingen eines Miteinanders von Menschen verschiedenster Herkunft beitragen. Projekte und Initiativen, die die Entwicklung dieser Potenziale fördern, sollen Unterstützung erfahren.

 

Kinder und Jugendliche fördern
Kinder und Jugendliche benötigen besondere Unterstützung. Egal, ob sie mit ihren Familien aus Armutsgründen zuwandern, ob sie im Rahmen des Asylverfahrens mit ihren Familien in Erstaufnahme-oder Gemeinschaftsunterkünften leben oder als unbegleitete Flüchtlinge gekommen sind; sie suchen eine neue Heimat. Die Stadtbevölkerung hat hier eine Verpflichtung, die Jugendlichen dabei zu unterstützen. Die Landeshauptstadt hat als örtlicher öffentlicher Träger der Kinder-und Jugendhilfe einen gesetzlichen Schutzauftrag.
Für Kinder und Jugendliche ist der unmittelbare Zugang zur Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Außerdem ist für sie alle die Integration in altersgemäße Bildungsangebote notwendig.
Die Betreuung von Kindern in den Asylunterkünften muss als staatliche Aufgabe anerkannt werden. Ersatzweise ist die freiwillige Förderung durch die Landeshauptstadt München auszubauen, schon um des Kindeswohls willen. Ehrenamtliche Hilfe zur Kinderbetreuung braucht professionelle Begleitung, Kinderbetreuung vor Ort ersetzt nicht
die Integration in Kindertageseinrichtungen.

Die Versorgungskette für aunbegleitete Flüchtlinge muss beschleunigt awerden. Jugendliche müssen schneller geeignete Jugendhilfeplätze erhalten, um erlittene Fluchterfahrungen bewältigen und einer Verfestigung von Traumatisierungen entgegenwirken zu können.

Stadt und Jugendhilfeträger bemühen sich nachhaltig um die Bereitstellung eines ausreichenden und bedarfsgerechten Clearing-Angebotes und Jugendhilfeplatzangebotes. Die Landeshauptstadt München ergreift geeignete Maßnahmen, um Jugendlichen aus Jugendhilfeeinrichtungen Zugang zu Wohnraum zu eröffnen.

 

Die Willkommensstrategie wird nur erfolgreich sein, wenn Politik, Verwaltung und Wirtschaft
Wohlfahrtsverbände und freie Träger, Medien und Bevölkerung zusammenwirken. Viele Forderungen werden bereits verfolgt. Ziel einer gelungenen Willkommensstrategie muss aber auch sein, die bestehenden Maßnahmen bekannt zu machen und bewährte Maßnahmen auszubauen.

Es gilt ein Klima der Willkommenskultur zu pflegen und erforderliche Maßnahmen partizipativ aund transparent mit allen Beteiligten und der Bevölkerung zu erörtern und zu kommunizieren. Dazu gehören proaktive Ansätze (z.B. bei der Umwidmung von öffentlichen Räumen) wie interkulturelle Mediation, Runde Tische und aufsuchende Ansätze der Sozialarbeit sowie die Erstellung eines Konzeptes zu einer langfristig angelegten Öffentlichkeitsarbeit, die informiert, wirbt und einbezieht.

Eine künftige Mitwirkung am referatsübergreifenden städtischen “Runden Tisch” zur sog. “Armutszuwanderung” auch von Wohlfahrtsverbänden, Kreisjugendring, Münchner Trichter und Regsam mit ihren Erfahrungen vor Ort kann dafür beispielhaft und selbstverständlicher Ausdruck sein.