Anknüpfend an die Ergebnisse der GAPs-Armutskonferenz (2021) hatten wir gemeinsam mit dem KJR München-Stadt Anfang 2022  einen KJHA-Antrag für „Mehr Orte für junge Menschen zum Experimentieren, Erproben und Bilden“ gestellt. Dabei wurde das Sozialreferat/ Jugendamt beauftragt, „gemeinsam mit jungen Menschen und freien Trägern ein Konzept (inkl. Finanzbedarf) zu entwickeln, wie Jugendlichen und jungen Erwachsenen weitere Räume/Projekte zur Verfügung gestellt werden können, in denen die jungen Menschen die Möglichkeit erhalten, sich – gleichermaßen persönlich, sozial und beruflich – zu orientieren und zu erproben.“

Das Anliegen nach einer Konzeptentwicklung unter Beteiligung junger Menschen aufgreifend, hat nun das Stadtjugendamt gemeinsam mit KJR und uns einen Workshop mit jungen Erwachsenen veranstaltet, der von Julia Pfinder moderiert wurde.
An dem Workshop teilgenommen haben sowohl junge Erwachsene, die in der Zeit zwischen Schule und Beruf auf sich alleine gestellt waren, wie auch junge Menschen, die das Angebot von IMAL/Kontrapunkt e.V. aus eigener Erfahrung kennen oder an Projekte des KJR (Die Färberei; Kösk) angebunden waren bzw. sind. In zuhörender Rolle waren außerdem dabei Vertreter:innen des Jugendamts, des Jobcenters sowie des KJR und Münchner Trichters.
Ziel der Veranstaltung war es, junge Menschen erzählen zu lassen, welche Begleitung sie sich für den Übergang zwischen Schule und Beruf gewünscht hätten, wie auch Erfahrungsberichte zu bekommen, inwiefern ein Angebot der Jugendhilfe/-arbeit hilfreich war.

In ihren Beiträgen machten die jungen Teilnehmer:innen deutlich, dass sich Angebote für den Übergang zwischen Schule und Beruf v.a. durch diese Qualitäten auszeichnen sollten:

  • Individuelle Interessen und Stärken als Ausgangspunkt: Das Kennenlernen der eigenen Person mitsamt der eigenen Skills soll die entscheidende Perspektive des Angebots bilden. Aus Sicht der jungen Menschen unterscheidet sich diese Herangehensweise fundamental von (weit verbreiteten) sonstigen Angeboten der beruflichen Orientierung, bei denen Infos zu Berufen und die Frage nach einer möglichen Passung den Ausgangspunkt bilden.
  • Experimentelle (Frei-)Räume: Für das Kennenlernen ihrer individuellen Interessen und Stärken wünschen sich die jungen Menschen Möglichkeiten zum praktischen Tun, um experimentell Erfahrungen sammeln zu können. Als unabdingbare Voraussetzung für solche Grenzgänge des „Sich-Ausprobierens“ wird eine verwertungsfreie Umgebung ohne Leistungsdruck gesehen. Gleichwohl wird zur Reflexion der gemachten Erfahrungen eine pädagogisch begleitete Reflexion für notwendig erachtet. Hinsichtlich der fachlichen Ausrichtung für das praktische Tun plädierten die jungen Menschen dafür, künftig eine Auswahl unterschiedlicher Ausrichtungen bereit zu halten (z.B. handwerklich, naturwissenschaftlich, (sozial-)politisch).
  • Inspirierende Angebotsstruktur, die einen „weiten Horizont“ eröffnet: Die konkreten Aufgabenstellungen wiederum sollen so weit gefasst sein, dass die Teilnehmer:innen sich diese frei und selbständig aneignen können, d.h. in der Umsetzung zu einem „persönlichen Projekt“ machen können, welches sie auf ihre ganz individuelle Weise definieren und ausgestalten.
  • Struktureller Rahmen von einem Jahr in einer festen Gruppe: Hinsichtlich der zeitlichen Struktur machten die jungen Menschen deutlich, dass sie für einen so grundlegenden Orientierungsprozess einen längerfristigen wie auch umfassenden Rahmen brauchen (1 Jahr, 5 Tage/Woche, 8 Std./Tag).
    Zudem zeigte sich in den Erzählungen: Zu einem solchen Prozess der Orientierung gehören auch Phasen der Unsicherheit oder des Frusts. Dabei in einer verbindlichen Gruppe von Peers unterwegs zu sein – also gemeinsam den denselben Prozess zu durchlaufen – motiviert, Durststrecken erfolgreich zu bewältigen. Und es bedeutet, auch nach Abschluss der Maßnahme ein unterstützendes Netzwerk von Peer-Beziehungen zu haben.

In ihrem Fazit schließlich machten die jungen Teilnehmenden deutlich, dass sie – unter Würdigung der bereits bestehenden Angebote – gleichwohl stadtweit einen ungedeckten Bedarf wahrnehmen.
Damit stehen wir erwachsene Entscheidungsträger:innen in der politischen Verantwortung, die benannten Bedarfe bestmöglich konzeptionell zu beantworten und unter Federführung des Jugendamts eine Beschlussvorlage auf den Weg zu bringen, die darauf zielt, (mehr) jungen Menschen gute Chancen auf dem Weg ihrer persönlichen und beruflichen Verselbständigung zu eröffnen.

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