Kulturelle Kompetenzen – Mediale Kompetenzen – Soziale Kompetenzen

Mit den oben formulierten Ansprüchen kann Kulturelle Bildung nicht nur ästhetische und mediale Erfahrungen ermöglichen und entsprechende Kompetenzen fördern (also: ein Bild malen können; Musik in einer Band spielen können; Handyclips gestalten können usw.), sondern auch soziale Kompetenzen und Selbstwertgefühl entwickeln helfen. Der Kompetenznachweis Kultur (www.kompetenznachweiskultur.de) ist ein dialogisches Auswertungsverfahren, an dem Teilnehmer und Kulturpädagogen beteiligt sind. Im Gespräch klären sie anhand eines Leitfadens, welche Lernerfolge erzielt worden sind: Was haben die Teilnehmer neues gelernt bezogen auf die ästhetische Praxis? Was haben sie in Bezug auf ihr Verhältnis in der Gruppe oder im sozialen Umfeld bemerkt? Konnten sie Erfahrungen gewinnen, die ihr Selbstbewusstsein stärken? Bei diesem Kompetenzmodell steht zunächst der kreative mediale oder künstlerische Prozess im Vordergrund. Die anderen Bereiche der Sozial- und Selbstkompetenz werden erst als Folge dieser Aktivitäten beurteilt. Dies ist von Bedeutung, denn die Kinder und Jugendlichen haben ja nicht in erster Linie an einem Projekt des sozialen Lernens teilgenommen, sondern sie interessieren sich für eine spezifische ästhetische Praxis. Das sollte ernst genommen werden. Daher darf anschließend auch keine Neubewertung der Aktivitäten vorgenommen werden in dem Sinne, dass auf einmal Sozialkompetenzen wichtiger sind, als beispielsweise ein gelungener fotografischer Ausdruck.

Kulturelle Bildung und Schule

Kulturelle Bildung hat Konjunktur, seit durch die PISA Studien das Schulsystem in die Kritik geraten ist. Bildungsreformen werden seither – je nach Bundesland unterschiedlich – meistens dahingehend diskutiert, dass ein Ganztagsbildungsangebot in der Institution Schule geschaffen werden soll, das nicht nur kognitives sondern auch soziales und sinnliches Lernen ermöglicht. So weit so gut! Über die Schule möchte die Bildungspolitik alle Milieus und Schichten erreichen und mit einem angemessenen Bildungsangebot versorgen.
Allerdings bringt es dieser Schulzentrismus mit sich, dass die „Betroffenen“ (Kinder und Jugendlichen) dieser Institution kaum noch entgehen und andernorts einen Ausgleich finden können. Die Schule gibt als Schwergewicht in der Bildungslandschaft den Ton an, wie schulisches Lernen und Kulturelle Bildung zueinander finden können. Und sie gibt auch den Takt vor, in dem das Lernen „rhythmisiert“ wird. Für eine umfassende Schulkritik ist hier kein Platz. Nur so viel: Bevor Schulen nicht intern reformiert sind, rate ich davon ab, das gesamte System der außerschulischen (kulturellen) Bildung auf die Institution Schule zuzuschneiden. Sie läuft dann Gefahr, ihr eigenständiges Profil mit den Prinzipien „Freiwilligkeit“ und „Selbstbestimmung“, wie sie im SGB § 11 niedergelegt sind, anderen Maßstäben unterzuordnen.

Kulturelle Bildung als Ko-Produktion von Kindern, Jugendlichen und Pädagogen

Die Kulturelle Bildung hat ihren Platz in den lokalen Bildungslandschaften dort, wo sie als spezifisches Lern- und Anregungsfeld für Kinder und Jugendliche – unabhängig vom Lernort – anerkannt ist. Es macht gerade die Stärke der Kulturellen Bildung aus, dass Kinder und Jugendliche spielerisch, kreativ, medial oder künstlerisch, in jedem Fall sinnlich, ihre Lebensrealität bearbeiten und dabei etwas Neues lernen können. Diese Programmatik entzieht sich der von Bildungsplänen, denn sie benötigt Kulturpädagogen, die gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen vor Ort den „Stoff“ zutage fördern, der ihnen gerade auf den Nägeln brennt und der bearbeitet werden will. Dafür braucht es spezifische, eigene Lernorte, von denen Schule nur einen Teil bieten kann und es braucht Pädagogen, die ästhetische Medien beherrschen und Prozesse des gemeinschaftlichen Lernens begleiten und steuern können.

Prof. Dr. Burkhard Hill
Hochschule München
Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften
Am Stadtpark 20
81243 München


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