„Subsidium“ bedeutet im Lateinischen „Hilfe, Reserve“. Aus diesem Begriff entwickelte die  katholische Soziallehre das Prinzip der „Subsidiarität“, der für Selbstbestimmung und -verwaltung steht, dafür, dass anstehende Aufgaben immer von der untersten, dafür geeigneten Einheit übernommen werden sollten.

Für uns in der Kommune heißt Subsidiarität, dass wir überall dort wo keine hoheitlichen Aufgaben betroffen sind, Aufgaben jenseits der öffentlichen Hand ansiedeln. Ich glaube auch nicht, dass es in der Münchner Verwaltung oder im Stadtrat Menschen gibt, die diesen Grundsatz in Frage stellen.

Doch wie weit „hoheitliche Belange“ gehen, was eine „Kann“- oder eine „Mussbestimmung“ ist und ob eine eigene Abteilung in der Verwaltung eigentlich einer Abteilung eines Wohlfahrtsverband oder einem freien Träger fast gleichzusetzen ist, darüber lässt sich trefflich streiten. Lange Jahre haben wir zum Beispiel viele Kindertagesstätten in städtischer Hand belassen, obwohl dies nun eindeutig ein Bereich ist, in dem die Subsidiarität greifen sollte. Darum haben wir auch vor einiger Zeit beschlossen, dass alle neu errichteten Betreuungseinrichtungen ausgeschrieben und an Träger vergeben werden. Hier war die Entscheidung ganz einfach. Schwieriger wird es schon, wenn der Bereich des Kinderschutzes betroffen ist. Bei der Einführung des §8a KJHG wurde intensiv diskutiert, ob die „insoweit erfahrenen Kräfte“ städtische Mitarbeiter_innen sein müssen und bei den neusten Änderungen im Kinderschutz wird uns diese Diskussion wieder einholen. Als Stadträtin sehe ich mich hier in der Vermittlerrolle zwischen dem – durchaus nachvollziehbaren –  Wunsch des Jugendamts, viel Kompetenz und Einflussmöglichkeit in eigener Hand zu behalten und dem der freien Träger und Wohlfahrtsverbände, ihre bewährte Arbeit eigenständig fortsetzen zu können. Natürlich ist immer, wenn ein Kind zu spät (oder auch zu früh) aus seiner Familie genommen wurde oder Jugendliche so gewalttätig wurden, dass es in der Presse erscheint, erst einmal das Jugendamt in der Verantwortung und damit öffentlich im Feuer. Das Wächteramt des Jugendamts greift immer, auch wenn in dem jeweiligen Fall ein ganz anderer Träger an dem Kind – dem Jugendlichen „dran“ war. Das darf aber nicht dazu führen, dass wieder mehr Aufgaben zur Stadt zurückgehen. Wir haben in München eine Vielzahl sehr erfolgreich arbeitender, bewährter Träger, mit denen wir seit Jahren vertrauensvoll zusammenarbeiten. Dieses Vertrauen gilt es zu wahren und auszubauen.

Die Münchner Strukturen in der Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand, Wohlfahrtsverbänden und freien Trägern sind ein Garant dafür, dass wir für die Menschen in unserer Stadt so viel Sicherheit und Unterstützung wie möglich vorhalten. Sie sichern aber auch, dass wir uns nicht immer in vorgegebenen Bahnen bewegen, sondern die verschiedensten Lösungsmöglichkeiten bieten. Trägervielfalt steht für Angebotsvielfalt und darauf sind wir in München stolz. Das heißt aber auch, dass wir neben der Unterstützung von bekannten Anbietern immer wieder Platz für neue Ideen und Möglichkeiten bieten.

Doch noch einmal zurück zu der Idee des Subsidiaritätsprinzips: der Selbstverantwortung. Bei allem Streben nach Sicherheit und dem Wunsch allen Menschen ein angemessenes Hilfeangebot zu geben, darf die Selbstverantwortung des einzelnen nicht zurückgedrängt werden. Jeder Mensch hat das Recht auf eigene Entscheidungen, eigene Lebensentwürfe – auch auf eigene Fehler. Das heißt für uns Grüne: „So viel Sozialstaat wie nötig – aber auch so wenig wie möglich!“

 

Jutta Koller

Stadträtin (GRÜNE/B’90/RL) seit 1996, Mitglied im Sozial-, Kinder- und Jugendhilfe- sowie Bildungsausschuss, außerdem Mitglied im Bezirksausschuss Milbertshofen – Am Hart.