Kulturelle Bildung
Prinzipiell gilt, es gibt viele gute, pädagogisch initiierte und betreute jugendkulturelle Projekte. Diese sind ein wichtiger und nicht wegzudenkender Bestandteil einer lebendigen Kulturlandschaft.
Nach wie vor wird, meiner Meinung nach, aber die Bedeutung und das Potenzial von Jugendkulturen unterschätzt. Und Jugendkultur sollte auch – neben den oben angesprochenen Projekten – das Recht auf eine Förderung haben, die nicht an einen Qualitätsaspekt oder eine pädagogische Betreuung geknüpft ist. Dazu ein paar Überlegungen.
Das was Kultur, oder kulturelle Bildung ausmacht, war über Jahrhunderte definiert von einer bürgerlichen Elite. Nach wie vor zementiert sich das in den nackten Zahlen der Förderung. „Hochkultur“ wird gefördert. Ferner spielt beim Begriff der Kultur oder kulturellen Bildung der Aspekt der Qualität immer noch eine große Rolle.
Für die Jugendkultur heißt das, sie ist immer erst einmal auf sich gestellt und letztendlich drückt der Umgang der „Erwachsenen-Welt“ mit neuen jugendkulturellen Strömungen oder Entwicklungen die gesellschaftliche Einordnung von Jugendkultur aus.
Prinzipiell wird sich dieser immer erst defizitär angenähert. Dieser Aspekt lässt sich bei allen vergangenen jugendkulturellen Strömungen beobachten.
Potenziale werden erst dann gesehen, wenn sich eine Vermarktbarkeit erkennen lässt. Dies führt aber nicht dazu jugendkulturelle Szenen zu fördern, sondern bestimmte Merkmale (Kleidung, Musik, Webdesign, etc.) dem Mainstream anzupassen, um sie dann besser verkaufen zu können.
Ein Qualitäts- oder Vermarktungskriterium darf bei Jugendkultur aber keine Rolle spielen.
Vielmehr geht es um die vielfältigen interaktiven Prozesse die in jugendkulturellen Szenen stattfinden. Probieren, Tauschen, Weitergeben, Inszenieren, Provozieren, Konkurrieren, Teilen, Lernen, Umdeuten und vieles mehr sind Bestandteile, die in einem Prozess der Persönlichkeitsentwicklung eine wesentliche Rolle spielen. Und Jugendkultur leistet Persönlichkeitsentwicklung. Sie ist „Kulturelle Bildung“.
Jugendliche haben ein Anrecht Ihre Kultur leben zu können (Konsens ist natürlich eine demokratische Grundhaltung mit allen ihren Spielregeln), ohne dass sich Erwachsene oder Pädagogen einmischen.
Jugendliche sind Experten Ihrer Kultur. Dem muss Rechnung getragen werden.
Hierzu muss Ihnen Geld, Raum und Zeit zur Verfügung gestellt werden. All das sollte unbürokratisch und zeitnah zur Verfügung stehen.
Eine Begleitung eines jugendkulturellen Prozesses kann geleistet werden, aber auch nur insofern, dass Angebote zur Unterstützung gemacht werden. Gewisse Prozesse können begleitet werden. Ein wirkliches „Eingreifen“ sollte nur auf Wunsch geschehen.
Jugendkultur ist auch als autonomer Prozess zu sehen, der Recht auf Förderung hat, ohne unbedingt regulierend einzugreifen oder Qualitätsanforderungen zu stellen.
Klaus Joelsen
Sozialreferat/Stadtjugendamt
Abteilung Kinder, Jugend und Familien
Jugendkulturwerk/Politische Bildung