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Perspektiven kultureller Bildung

Kulturelle Bildung – der Schlüssel zum Zugang zur Kultur für alle Menschen
Jordi Baltà, Projektleiter und wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der europäischen Stiftung „interarts“ (Barcelona / Brüssel)

Jeder Mensch hat das Recht zur kulturellen Teilhabe, wie es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 und später im internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966, auch als UN-Sozialpakt bekannt, anerkannt wurde. Während die eigentliche Reichweite dieses Rechts oft und vielseitig diskutiert wurde (Was meinen wir mit „Kultureller Teilhabe“? Ist jede Art von Kultur damit gemeint? Was umfasst Kultur? etc.), ist es unbestreitbar, dass kulturelle Rechte im Allgemeinen weniger beachtet werden, als andere Menschenrechte.

In den letzten Jahren haben Menschenrechte als Basis für Kulturpolitik jedoch größere Aufmerksamkeit erfahren, wie es die Agenda 21 für Kultur (2004) zeigt. Auch wenn nicht direkt das Menschenrecht auf kulturelle Teilhabe angesprochen wird, bekennt auch die europäische Kulturagenda von 2007 mit ihren Forderungen nach mehr Zugangsmöglichkeiten zur Kultur, einen Mangel an Kulturteilhabemöglichkeiten, der in vielen europäischen Gesellschaften vorherrscht. Zu viele Hindernisse halten heute immer noch eine große Anzahl von Menschen davon ab, ihre eigene Kreativität entwickeln zu können und an Kulturaktivitäten und Veranstaltungen teilhaben zu können.

Die Förderung von Synergien zwischen Kultur und Bildung ist eine fundamentale Aufgabe, um den Zugang für alle Menschen zur Kultur zu ermöglichen. Auf europäischer Ebene betonte 2010 die Plattform „Zugang zur Kultur“ in ihren politischen Leitlinien, dass Lernprozessen durch und mit Kultur absolute Priorität eingeräumt werden sollte, indem die Synergien zwischen Kulturangeboten, schulischer, außerschulischer und informeller Bildung gefördert werden. In diesem Sinne zeigt die eine Bürgerbefragung, die von 2009-10 durch das Netzwerk Euromedinculture(s) in über 10 Ländern durchgeführt wurde (2500 rückgesandte Fragebögen/10 nationale Foren mit 1500 TLN/ein internationales Forum mit 1200 TLN), dass ein Großteil der Bevölkerung die Verbesserung des Zugangs zur Kultur als einen der wichtigsten Bestandteile europäischer Kulturpolitik wahrnimmt. Die Integration von Kunst und Kultur in die schulische und außerschulische Bildung müsse ein wichtiger Schritt in diese Richtung sein. (www.euromedinculture.org/observatoire-culturel-menu/telechargements/summary/4/17).

Die Einbindung von Kultur in Bildungs- und Lernprozesse erfordert unter anderem von Akteuren der Kultur- und Bildungslandschaft, die Bereitschaft die eigenen Grenzen anzuerkennen, um weiterführende Kooperationen eingehen zu können und neue gemeinsame Methoden und Programme zu entwickeln. Darauf beruhend, dass Bildung immer mehr als lebenslanger Prozess anerkannt wird und der Zugang zur Kultur in unterschiedlichsten Umgebungen und Kontexten stattfinden kann, ist die Gestaltung von Programmen, die sich an Familien, Jugendliche außerhalb der Schule, ältere Menschen und Risiko-Gruppen richten, eine wichtiges Handlungsfeld um jeden Menschen zu ermöglichen, sein Recht auf kulturelle Teilhabe wahrzunehmen. Dafür braucht es kleine und lokale Kooperationen zwischen Schulen, Kulturzentren und Künstlern in städtischen Nachbarschaften oder in ländlichen Gebieten, wie es eine Studie aus Barcelona von 2010 zeigt: Die Zusammenarbeit zwischen bildungs-, kultur- und sozialen Organisationen funktioniert am besten und effektivsten, wenn sie auf die lokalen Bedürfnisse ausgerichtet ist.

Die Ermöglichung einer kulturellen Teilhabe für alle Menschen ist sowohl für Bildung als auch für Kultur nur von Vorteil. Auf der einen Seite kann kulturelle Bildung die Attraktivität von Schulen fördern und die Ausdrucksfähigkeit und emotionale Entwicklung verbessern, wie es in einer internationalen Bibliographiestudie durch Anne Bamford und Michael Wimmer vor kurzem belegt wurde. Auf der anderen Seite bereichern erweiterte Zugangs- und Teilhabemöglichkeiten an Kulturangeboten das kulturelle Leben an sich: durch wachsende kulturelle Vielfalt, die Ermöglichung zur individuellen und gesellschaftlichen Identitätsbildung, gegenseitige Anerkennung und Verbindungen zwischen Tradition und der heutigen Zeit.
(Übersetzung: Nadja Wallraff, Barcelona)

www.euromedinculture.org
www.interarts.net
www.deutsche-kultur-international.de/de/org/internationale-organisationen-und-transnationale-netzwerke/interarts-stiftung.html

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