Kulturelle Bildung – gut, dass es sie in München schon gibt…
…denn wer weiß, ob sie sich heute auch noch so entwickeln könnte. Ja, es steht im Prinzip gut um die Kulturelle Bildung für Kinder und Jugendliche in München: Theater- und Tanzprojekte, Musikförderung, Medienarbeit, die bildenden, darstellenden und angewandten Künste als fixer Bezug und Bestandteil der Kulturarbeit, Kunstvermittlung und Museumspädagogik, Literatur- und Leseförderung, eine Vielzahl an Einrichtungen und Angeboten, Fachkräfte, Publikationen und Tagungen, modellhafte Entwicklungen und herausragende Projekte, die auch bundesweite Aufmerksamkeit und sogar internationale Anerkennung finden. Wir haben mehr oder weniger funktionierende Netzwerke, den Kinder-Kultur-Sommer (die Erwähnung dieses mir nahe liegenden Beispiels sei erlaubt) mit einem gemeinsamen Veranstaltungsprogramm von über 200 Akteuren, ein kommunales Koordinationsforum zur Kinder- und Jugendkulturarbeit mit langer Tradition, ein relativ aktuelles Positionspapier zur Kulturellen Bildung und sogar eine kommunale Leitlinie Bildung. Vor allem aber gibt es an die hunderttausend Kinder und Jugendliche, die Jahr für Jahr von all diesen Angeboten freiwillig und fortgesetzt auch Gebrauch machen.
Kulturelle Bildung ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Zukunftssicherung unseres Landes…
Doch während die Kulturelle Bildung bundesweit („Kulturelle Bildung ist ….ein unverzichtbarer Bestandteil der Zukunftssicherung unseres Landes“)* und international („Künstlerische und Kulturelle Bildung in allen Schulen und außerschulischen Einrichtungen umsetzen…“)** an Bedeutung und Aufmerksamkeit gewinnt, scheint diese in München gerade wieder abzunehmen. Dies wird besonders deutlich bei den aktuellen Entwicklungen rund um die so genannte „Ganztagsschule“, von der es bisher ohnehin kaum welche gibt. Was es gibt, sind offene und gebundene Ganztagsklassen an Schulen und diese sollen in den nächsten Jahren massiv und „flächendeckend“ ausgebaut werden. Spätestens jetzt wäre es also an der Zeit, Bildung auch in München neu zu denken und gemeinsam die Vorrausetzungen für Ganztagsbildung als neues Erfahrungsfeld für alle Beteiligten zu entwickeln. Die vorhandenen Potentiale können sich nur dann zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen, wenn die Kinder und Jugendlichen in das Zentrum aller Bemühungen gestellt werden – ansonsten bleibt es Stückwerk.
Auch wer im Kreis läuft ist in Bewegung…
Bis jetzt erwecken die vielen Aktivitäten rund um die Ganztagsschule zwar den Eindruck von großer Bewegung – entscheidende Impulse und neue Ansätze in der Praxis sind aber bisher ausgeblieben. In der Jugend-, Sozial- und Bildungspolitik scheint es derzeit ohnehin andere Prioritäten als die Kulturelle Bildung zu geben: Der Ausbau einer flächendeckenden Betreuung (zunehmend sogar die Ferienzeit einschließend) ist wichtiger als die individuelle Förderung von Kindern und Jugendlichen, die Qualifizierung der Inhalte hat sich den quantitativen Entwicklungen unterzuordnen, die Schaffung von festen Strukturen und verbindlichen Standards steht vor dem Erhalt von Frei- und Experimentierräumen, Sicherheitsdenken und die Sorge um das „Kindeswohl“ überlagern die Entwicklung von individuellen Bewältigungsstrategien und Widerstandsressourcen (siehe 13. Kinder- und Jugendbericht „Chancen für gesundes Aufwachsen).
Zu wünschen wäre, dass Bildung in München endlich als gemeinsame Aufgabe begriffen wird, die Akteure von schulischer und kultureller Bildung zueinander finden und die notwendigen Entwicklungen auch im Sinne einer integrierten Zuständigkeit aufeinander bezogen und vernetzt werden. Ich wünsche mir, dass die Dinge (so wie in dem angehängten Filmchen über die „Energiemaschine“)*** wirklich in Bewegung kommen, zumindest im Denken kein Steinchen auf dem anderen bleibt und dann die einzelnen Elemente zu dem Münchner Ganztagsbildungsprojekt neu zusammengesetzt werden.
Albert Kapfhammer
Kultur & Spielraum e.V.
www.kulturundspielraum.de
albertkapfhammer (at) kulturundspielraum (dot) de
* aus einem Grundlagenpapier der kulturpolitischen Sprecher der CDU/CSU Landtagsfraktionen vom 9./10. Juli 2011 in Potsdam
** aus der „Seoul-Agenda“ der zweiten UNESCO-Weltkonferenz für Kulturelle Bildung in Seoul im Mai 2010
***Der Film über die „Energiemaschine“ entstand im Rahmen eines gemeinsames Projektes von Kultur & Spielraum und dem Deutschen Museum im Wissenschaftsjahr 2011